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Projekt: Pfarrhof Hart

Ort: Hart

Leistung: Dokumentation zur Bau- und Gartengeschichte mit Hinweisen zum denkmalgerechten Umgang, gartendenkmalpflegerische Zielkonzeption

Auftraggeber: Kirchengemeinde Eyachtal-Haigerloch St. Anna

 „Die Obstbäume im Pfarrgarten in Hart […]

Es sind durchweg edle Sorten gewählt worden, auch wurden einige Bäume mit guten Sorten umgepfropft, so daß meine Nachfolger beim Genuß des herrlichen Obstes sich vergnügt die Hände reiben werden. Es freut einen, wenn man die Sorten kennt, auch die Zeit der Genußreife, nun so will ich dieses Verzeichnis anlegen und bitte es wohl aufbewahren zu wollen.“

Pfarrer Albert Fritz (Quelle: 

Pfarrarchiv Hart, XVII, Vol. 67, Aufzeichnungen zur Pfarr- und Ortschronik.)

 

Die Pfarrhäuser bilden gemeinsam mit den Kirchbauten seit vielen Jahrhunderten das geistliche und kulturelle Zentrum der ländlichen Gemeinden. Als Bauensembles sind sie zumeist von zentraler städtebaulicher sowie kirchen- und ortsgeschichtlicher Bedeutung. Sie sind Träger kulturellen Erbes und zählen insbesondere in den Dörfern mit zum wertvollsten Gebäudebestand. Zum ländlichen Pfarrhaus gehörte in der Regel eine eigene Landwirtschaft mit Ökonomiegebäuden und Gartenanlagen, die zusammen einen Pfarrhof bildeten. Beim Pfarrhof in Hart handelt es sich um das seltene Beispiel einer vollständig erhaltenen Pfarrhofanlage in Baden-Württemberg aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Anlässlich der geplanten Umnutzung der Pfarrscheuer zum Gemeindesaal wurde die Bau- und Gartengeschichte des Pfarrhofs in einer Dokumentation dargestellt mit dem Ziel, den denkmalpflegerisch angemessenen Umgang mit dem Kulturdenkmal gemäß §2 DSchG BW sicherzustellen. Zum Ensemble aus dem Jahr 1832 gehören das ehemalige Wohn- und Amtshaus, das Wasch- und Backhaus mit doppeltem Schweinestall, die Pfarrscheuer mit Stall und Wagenschopf, ein Brunnen sowie der Pfarr- und Baumgarten.

 

Gebäudebestand

 

Beim klassizistischen Wohn- und Amtshaus handelt es sich um einen massiven, zweigeschossigen und verputzten Steinbau auf rechteckigem Grundriss, der traufständig mit Mitteleingang und Vortreppe zur Straße steht. Entsprechend den Vorstellungen des Klassizismus zeigt die fünfachsige Fassade klare Proportionen. Schmückende Formen beschränken sich auf das Traufgesims und das Eingangsportal mit begleitenden Pilastern. Die Fenster sind plastisch umrahmt. Der gesamte Baukörper erhebt sich über einem Kellersockel. Die Rückseite des Pfarrhauses ist durch einen Mittelrisalit geprägt, der das Treppenhaus aufnimmt. In seiner repräsentativen Gestalt ist das Pfarrhaus in Hart Ausdruck obrigkeitlichen Bauens. Als geistliches Haus, aber auch als massiver Steinbau hebt es sich von der üblichen Landbebauung, den bäuerlichen Einhäusern (Einheit von Wohnhaus, Stall und Scheuer) ab. Neue Bestrebungen hinsichtlich Hygiene, Brandschutz und Wohnstandard machten sich in der Ausdifferenzierung von Wohn-, bzw. Amtsgebäude sowie den Nebengebäuden der Ökonomie bemerkbar. Aufgrund der gehobenen Stellung des Pfarrers weist das Pfarrhaus in Hart im 19. Jahrhundert ein beachtliches Raumprogramm auf. Der Gebäudegrundriss des fürstlichen Bauinspektors Anton Zobel gibt Auskunft über die ehemals zugewiesenen Raumnutzungen, aber auch über die Zusammensetzung der Hausgemeinschaft und macht so die einstige Lebenssituation des Pfarrers deutlich. Dieser lebte in Gemeinschaft mit Knechten, Mägden und Haushälterin. Das nach rund zehnjähriger Planungszeit im Jahr 1832 realisierte Gebäude weist im Hochparterre Gesindestube, Schlafkammer der Haushälterin, Mägdekammer, Küche, Speisekammer sowie im Obergeschoss Wohnzimmer des Pfarrers, Schlafzimmer, Abtritt, Gastzimmer, Bibliothek und Studierzimmer auf. 

Die landwirtschaftlichen Funktionen waren in die Nebengebäude ausgelagert. Die Pfarrscheuer mit Viehstall, Tenne und Wagenschopf im Erdgeschoss sowie darüberliegendem Barn und Fruchtschütte ist nahezu ohne Veränderungen aus dem Jahr 1832 überliefert. Im massiven Erdgeschoss trägt die elegante Gestaltung mit Rundbogenportalen und Blendbogengliederung zur Rhythmisierung und repräsentativen Erscheinung des Gebäudes bei. Im Viehstall sowie im Hofraum vor der Pfarrscheuer ist das bauzeitliche Pflaster in situ erhalten. Zum Pfarrhof gehört auch das eingeschossige Wasch- und Backhaus mit Schweinestall in dreizoniger Gliederung unter einem Satteldach. Der Dachstuhl wurde in jüngerer Zeit nach Brand wiederhergestellt. Im Hofraum beim Waschhaus existiert noch heute der aus Werksteinen aufgesetzte Brunnen.

Pfarrgarten

Ein ländlicher Pfarrhof ist ohne Pfarrgarten nicht denkbar. Jener trug als Teil der Einkünfte wesentlich zur Versorgung des Pfarrers bei – er ist integraler Bestandteil einer Pfarrhofanlage. Strukturell war der Pfarrgarten in Hart in Obstgarten sowie Küchen- und Blumengarten gegliedert. Seine Gestalt zeigt Einflüsse der Klostergärten. Er bot gleichermaßen Nutzen und Zierde. Während der Pfarrer die Feldarbeit vielfach Pächtern und Bauern überlies, wurde der Pfarrgarten häufig durch den Pfarrer, im Fall von Hart nachweislich durch Pfarrer Albert Fritz, selbst bewirtschaftet. Ungeachtet seines bedeutenden gartenhistorischen und heimatkundlichen Wertes fristet der Garten heute ein Schattendasein. Seit die Besoldung des Pfarrers in ein geregeltes Gehalt überging, verlor der Pfarrgarten als Lebensgrundlage des Pfarrers seine einstige Bedeutung. Pfarrgärten dienten aber nicht ausschließlich zur Selbstversorgung. Häufig waren die Pfarrer zugleich Lehrer, welche die Schüler im Obstbau unterwiesen und dazu Dorfbaumschulen mit vielfältigen Obstsorten unterhielten. In Hart ist solch eine Baumschule archivalisch belegt und bis heute rudimentär überliefert. Der Pfarrgarten war also Lehr- und Anschauungsobjekt und wies dabei einen wertvollen Sortenbestand auf. Pfarrer beeinflussten die Obstkultur auf dem Land nachhaltig. Sie waren es auch, die die Baumpflanzungen bei Eheschließung (Realisierung des Ehestands-Baumgesetzes zur Beförderung des Obstbaus) überwachten, damit in der Region ihren Beitrag zur größten Streuobstlandschaft Mitteleuropas leisteten und gleichzeitig zur Landesverschönerung beitrugen. Der Pfarrer Albert Fritz, der u. a. zu den Gründungsmitgliedern des Obst- und Gartenbauvereins Dettensee gehörte und später Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Hart war, verfasste im frühen 20. Jahrhundert ein ausführliches Inventar über die im Pfarrhof Hart angepflanzten Bäume einschließlich genauer Standortangaben und Kommentare. Seine Schrift ist eine Anweisung für seine Nachfolger zum Umgang und Fortbestand des Baumgartens. So veranschaulicht das vollständige Ensemble in Hart nicht nur die einstige Lebens- und Wirtschaftssituation eines Pfarrers, sondern gerade auch der bestehende Pfarr- und Baumgarten führen einem die ehemalige gartenkulturelle Bedeutung eines Pfarrhofs für eine Dorfgemeinde vor Augen.

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